// RAP & HOCHKULTUR

Mannheim, 01.10.2018

Seit drei Tagen spiele ich Theater. Jeden Abend sechs Stunden. Heute, am Montag, ist Pause. Zeit für ein erstes Resümee:

#Volksfest also. Theater. „National“-Theater. Keine Ahnung, wie viele von den ca. 160 Zuschauer*innen das jetzt lesen, die bisher die Aufführung „Volksfest“ des #Mannheimer #Stadtensemble auf dem Vorplatz des Nationaltheater Mannheim gesehen haben. Ich hoffe einige. Ich will nämlich los werden, dass ich euch verdammt dankbar bin.

Als ich mich vor Monaten mit der Regisseurin Beata Anna Schmutz getroffen habe, um mehr über ihre Pläne zu erfahren und mich dazu entschieden habe, Teil des Ensembles zu werden, habe ich mich vor allem gefragt: Wie anders wird es sein, diese Art von Kunst zu performen. Die Frage für mich war nicht: Ist die Idee eines Stadtensembles gut? Ja, das ist sie. Und ja, ich habe das Gefühl, dass das ganze einigermaßen repräsentativ ist. Lassen wir mal Alleinerziehende unbeachtet (Mh. Soviel Widerspruch in zwei Sätzen.) Die Frage war vielmehr: Kann ich das?

Theater spielen ist so ganz anders, als rappen. „Hochkunst“ nennt sich das Ganze. Davon ist Rap weit weg. Völlig zu unrecht, finde ich. Rap ist so vielfältig und divers wie die Gesellschaft, die er repräsentiert. Schade, dass oft nur die Bushidos des Games medial rezipiert werden. Und dennoch hat Rap eine Stärke, die das Theater kaum vorweisen kann: Spätestens seit Haftbefehl feiern sowohl Straße als auch Feuilleton diese Kunstform, die niemals vielschichter war, als im Moment. Gab’s das Wortspiel schon: „Zwischen Feuertonn’n und Feuilleton?“

Aber kann ich das? (Mein) Rap ist mir manchmal (oft) zu plakativ, zu absolut, zu „on point“. Theater ist oft anders. Uneindeutig. Manchmal habe ich das Gefühl Theater scheisst drauf, ob es verstanden wird. Oder zumindest, was verstanden wird. Da frage ich mich dann aber: Als Sender habe ich eine Message. Mir ist klar, dass ich nicht definieren kann was davon ankommt. „Die Bedeutung zahlt wie immer der Empfänger“ (Kettcar). Aber ich will doch etwas sagen? Und ich will doch auch, dass möglichst das verstanden wird, was ich mitteilen möchte?

Ich persönlich sehe die Dinge gesellschaftlich nicht viel anders als vor zwei Jahren. Eher dringlicher. Euer Deutschland kotzt mich an. Euer Deutschland macht mir Angst. Das bißchen Totschlag. Und so weiter. Das ist nach #Chemnitz, #Seehofer, #Maaßen und unserem „Leben und sterben lassen“ im Mittelmeer sicher nicht schwächer geworden.

Also: Chaoze One im Theater. Ein riesen Experiment. Als Statist der wundervollen Helena Waldmann durfte ich in ‚Gute Pässe, schhlechte Pässe‘ schon fühlen, dass auch Theater eine dringliche und deutliche Message hat. Aber Theater? Als Rapper? Ich kenne die Bühnen der autonomen Zentren. Aber „Hochkunst“?

Jetzt spiele ich im Mannheimer Stadtensemble und Abend für Abend kreuzen knapp 70 zuschauende Menschen meinen Weg. Manche von euch haben mir in den letzten drei Tagen einen krassen, tiefen Einblick in das erlaubt, was ich verursache. Da füllen sich Augen mit Tränen. Das sind die schwersten Momente. Denn leider bin ich ein Hippie, den sowas rührt. Nein, gar nicht leider. Beim Spielen jedoch versuche ich das aufzuschieben. Gestern. Um 22.20 h, als der letzte Zuschauer raus ist, habe ich das nachgeholt. Ich hab einfach mal laufen lassen. Für alle die Tränen, die ich mir verboten habe, während des Spielens. Ich weiß, dass ich im Ensemble da nicht der einzige bin.

Manchmal ernte ich auch fassungslose Blicke. Verstört. Verwirrt. Verunsichert. Manchmal Zustimmung. Wut. Angst. Manchmal lacht sich mein Gegenüber kaputt. Und bevor ich urteile, denke ich mir: Wer weiß. Vielleicht könnte ich das hier auch nur mit einem lauten zynischen Lacher ertragen.

Theater rührt mich. Als (Laien)-Darsteller. Eine schöne Erfahrung.

Dieses Hochkultur Ding geht mir immernoch nicht rein. Aber. Was ist bitte besser daran, Abend für Abend in linken Zentren zu rappen? Beide predigen zu Bekehrten. Beides ist weder falsch noch richtig, sondern ambivalent, wie fast alles im Leben. Beides definiert sein Zielpublikum recht exakt. Und vielleicht sucht beides nach Wegen. Wie wir. By the Way. Der Autor des Stücks, Stefan Hornbach, der mit uns zusammen die Texte entwickelt hat, hat auch das hier gezaubert:

„Wer bin ich ‬
dich‬
‪mich ‬
‪uns ‬
‪euch‬
‪WIR ‬
‪zu nennen?‬“

Und erkenne in den Zeilen, warum ich Schmerzen habe beim Hashtag #WirSindMehr. Ich verstehe die Sehnsucht hinter dem Hashtag. Was bleibt ist die Hoffnung. Dass es da ein vielfaches ICH gibt. Das mehr ist. Mehr ist als Hass und Identität. Mehr als WIR.

VOLKSFEST spielt noch bis Sonntag, 07.10.2018 – Kommt vorbei und teilt Emotionen mit uns!

C.

FOTO: Christian Kleiner